Kapitel 3
„Ich dachte, alle hier sprechen Englisch.“
Mein Ziel war nicht Deutschland. Ich hatte keine Ahnung, als ich mein Heimatland verlassen hab', wo mein Ziel ist. Das war alles Überraschung für mich. Vielleicht kann ich in Iran bleiben, vielleicht Türkei, vielleicht Griechenland. Aber dann spürte ich einen Druck. Okay, dann weiter. Nee, hier nicht. Mein Herz akzeptierte das nicht. Okay, Österreich ist auch in Europa, Italien, Frankreich. Aber dort fühle mich nicht ruhig, immer noch: Nein, hier nicht. Ich hab' in den Nachrichten gehört, in Italien und Frankreich haben die Flüchtlinge keine so gute Zukunft wie in Deutschland, weil Deutschland bietet Deutschkurse, Ausbildungen und auch mehr.
Ich hab' immer gedacht, vielleicht sprechen die Leute nur in Indien, Pakistan, Bangladesch, Urdu, aber die in Europa oder Amerika, Kanada, sprechen alle Englisch, ne. Als ich am Hauptbahnhof ausgestiegen war aus dem ICE, Bahn, hab' ich versucht, in Englisch zu sprechen mit den Leuten. Ich hab' nur gesagt: Do you help me? Ich hab' gedacht, vielleicht bekomm' ich die Antwort in Englisch, aber das war eine ganz andere Sprache.
Dann war ich im Flüchtlingsheim. Ich hatte die letzten drei Nächte nicht geschlafen, ich hab' erst geduscht, geschlafen, neun, zehn Stunden. Angie, unsere Heimleiterin, sie hat mir ein Einzelzimmer gegeben. Und ich hatte auch bisschen Angst, weil ich wurde jeden Tag – weil wir pakistanischen Leute, wir glauben auch an Geister und so was – ich höre jeden Tag tschick tschick tschick tschick tschick, ich dachte, ein Geist ist da. Und am nächsten Morgen, hab' ich Angie gebeten: Bitte, ich möchte mit jemand anderem schlafen – alleine hab' ich Angst.
In einem Raum in unserm Flüchtlingsheim gab es einen Deutschkurs, und dort hab' ich meine Lehrerin getroffen. Sie hat uns geholfen, uns an einer Schule anzumelden und einen Deutschkurs anzufangen. Ich hab' in meinem Kopf die Einstellung: Okay, ab heute fang' ich vom Kindergarten an. Jetzt Deutschkurs, das ist mein Kindergarten.
Als ich meinen B1+-Kurs absolviert, geschafft hab', mein WG-Mitbewohner Tobias hat mich gefragt: Hast du's geschafft? Ich hab' gesagt: Ja, ich hab' die Prüfung geschafft. Aber wir sprachen immer noch auf Englisch, ne. Er hat eine Karte geschrieben und auf den Kühlschrank geklebt: Ab heute, wer mit Sahil auf Englisch spricht, muss eine Strafe bezahlen, fünf Euro oder so was. Tobias hat mir schon geholfen, weil wir kochen jeden Freitag zusammen. Eigentlich ist Tobias die Person, ich hab von ihm Deutsch gelernt praktisch.